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Nach dem Lockdown das erfolgreiche Ramp-up! wie die Lieferkette stabilisiert wird.

Nach dem Lockdown geht es nun wieder aufwärts! Müssen die Kunden dann wegen verspäteten Lieferungen vertröstet werden? Ist es schwierig, von den Lieferanten eine verbindliche Lieferzusage zu erhalten? Ist die Organisation nach vielen Extra-Efforts erschöpft? Werden alternative Quellen oder gar Insourcing erwogen?

Nach einem Quasi-Stillstand ist die Wiederinbetriebnahme der Lieferkette eine besondere Herausforderung. Wir wollten daher genauer verstehen, wie wieder stabile und verlässliche Verhältnisse in der Lieferkette geschaffen werden können. Dazu haben wir mit Führungskräften operativer Bereiche und Logistik-Experten gesprochen.

Vorweg: Niemand will den Anschluss verpassen, schon gar nicht Marktanteile verlieren. In Stress-Situationen erhöhen einige Unternehmen deshalb ihre Bestellmengen und Sicherheitsbestände, um gegenüber den Kunden lieferfähig zu bleiben und allenfalls bei lieferantenseitigen Engpässen bzw. Zuteilungen ausreichend bedient zu werden.

Diese Reaktion ist nachvollziehbar, aber im Endergebnis tritt das Gegenteil des Erwünschten ein: Die Zeit des Troubleshootings wird nicht verkürzt, sondern verlängert; Planungs- und Dispositionsfehler häufen sich; Stockouts und Lieferverspätungen nehmen zu. Denn zusätzliche Reserven (auch „Puffer“ genannt) wie beispielsweise vorgezogene Lieferfristen, grössere Vorräte sowie Mehr- bzw. Übermengen überlasten nicht nur, sondern destabilisieren die Lieferkette.

Der Teufel sitzt in den Planungspuffern

Unter der Prämisse einer „sicheren Versorgung“ wird mit Mengenerhöhungen in ein Liefersystem eingegriffen, welches zu Normalzeiten auf globaler Basis optimiert war – im eigenen Haus genauso wie bei den Zulieferanten. Aufgrund des sogenannten „Bullwhip-Effekt“ schlagen schon kleine Erhöhungen in den Bestellmengen voll durch und verstärken sich bei den Zulieferanten entlang der Lieferkette (siehe Abbildung 1).

Weil auch die Zulieferanten ihre logistischen Planungsparameter wie Bestellmengen, Wiederbeschaffungszeiten und Sicherheitsbestände anpassen, verschlechtert sich die Situation für alle Akteure. Schlimmstenfalls droht wegen Überbelastung gar der Kollaps der gesamten Lieferkette (siehe Abbildung 2).

Die Besteller befinden sich deshalb gleichermassen wie ihre Lieferanten in einem Teufelskreis. Um aus diesem auszubrechen, ist kontraintuitives Verhalten zielführender: Geringere Reserven bedeuten bessere Versorgung! Als Kunde werden Sicherheitsbestände reduziert, terminliche Margen aus den Wiederbeschaffungszeiten entfernt und kleinere Mengen, diese dafür häufiger nachgefragt. Gerade in einer Ramp-up-Phase nach einem Stillstand ist ein vorsichtiges und schrittweises Annähern an den neuen Sollzustand entscheidend. Das synchrone Verhalten aller Akteure entlang der Lieferkette ist dabei besonders wichtig.

Unser Tipp

Halbieren Sie die Bestellmengen und vereinbaren Sie mit dem Lieferant zunehmende Lieferfrequenz. Der Lieferant hat die bessere Sicht, wie sich durch Mengenbündelung die Lieferkette stabilisieren lässt. GroNova unterstützt Sie immer mit erfahrenen Experten. Mit herzlichen Grüssen

Ihr Andreas Suter


PS.: Im Buch „Die Wertschöpfungsmaschine – Prozesse und Organisation aus der Strategie ableiten“ (Hanser-Verlag, 2. Auflage) finden Sie die detaillierte Anleitungen, wie Sie Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen in Ihrem Unternehmen etablieren können.

Gerne empfehle ich das zum Buch passende Tagesseminar „Die Wertschöpfungsmaschine für komplexe Organisationsprobleme“ der GroNova-Academy am 4. September 2020 in Thalwil (ZH).

Alternativ bieten wir Ihnen auch Inhouse-Seminare mit dem Buchautor Andreas Suter an, damit die Internas im Haus bleiben.
 

Wissensbox: Bullwhip- und Hamster-Effekt

Der Bullwhip-Effekt oder auch Peitscheneffekt ist ein Phänomen, das bei Schwankungen der Nachfrage entlang der gesamten Lieferkette auftritt, wobei die Schwankungen umso stärker werden, je weiter man sich in der Lieferkette vom Endkunden über die Händler und Großhändler bis hin zu den Herstellern der Güter und deren Lieferanten bewegt.

Der Hamster-Effekt bedeutet, dass der Beschaffungswunsch steigt und auf Vorrat beschafft wird, je stärker das Stockout-Risiko wächst.


Abbildung 1: Bullwhip-Effekt


Abbildung 2: Teufelskreis in der Lieferkette aufgrund logistischer Reserven („Planungspuffer“)

Praxisbeispiel im Fokus
Versorgungsengpass durch intelligenten Mix von Mengen und Abrufen gelöst
Branche: Apparatebau mit weltweit rund 5‘000 Mitarbeitern.

Ausgangslage und Handlungsbedarf: Lieferverzug und Stockout einer Schlüsselkomponente

Das Unternehmen gehörte mit Stromzählern zu den Weltmarktführern. Traditionell beschaffte es alle wichtigen Komponenten über das Stammhaus und versorgte damit die verschiedenen Produktionswerke, welche sich in verschiedenen Ländern rund um den Globus befanden. Eine Schlüsselkomponente bezog das Unternehmen im Rahmen eines Multiple Sourcing-Ansatzes von zwei Lieferanten, welche sich beide im DACH-Raum befanden. Über Jahre hinweg funktionierte dieser Footprint.

Dies änderte sich überraschend: Plötzlich meldeten beide Lieferanten, die abgerufene Menge nicht mehr liefern zu können. Mit dem Lieferverzug erhöhte sich die Fehlmenge auf rund einen Halbjahresbedarf. Unter den Produktionsverantwortlichen entstand wegen der Versorgungslücke Panik, da die Stilllegung der Werke schon in wenigen Tagen drohte. Zudem kursierten Gerüchte, dass der Hauptwettbewerber den Markt leer gekauft hätte, um dem Apparatebauer zu schaden.

Auftrag: Alternative Beschaffungsquelle etablieren und den globalen Footprint überprüfen

GroNova wurde von der Geschäftsleitung beauftragt, mit einem erfahrenen und senioren Supply-Chain-Experten die Produktionsplaner zu unterstützen. Er wurde mit der Leitung einer Taskforce beauftragt, kurzfristig eine zusätzliche Quelle zu suchen. Im Nachgang sollte auch der Footprint der Produktionswerke überprüft und gegebenenfalls optimiert werden.

Der GroNova-Manager war gegenüber den Gerüchten skeptisch. Zusammen mit dem Leiter der Produktionsplanung bat er den zuständigen Einkäufer, die beiden Lieferanten noch einmal persönlich anzurufen. Nötigenfalls solle eine einmalige Lieferprämie angeboten werden. An diesen Telefonaten nahm auch der GroNova-Manager im Hintergrund teil.

Lösung: Stückelung des Lieferloses

Nachdem auch der zweite Lieferant erklärte, die geforderte Bestellmenge von 2.5 Mio. Stück innerhalb der nächsten Tagen nicht liefern zu können, intervenierte der GroNova-Manager und fragte den Lieferanten: „Wieviel Stück sind in den nächsten drei Tagen lieferbar?“ Die Antwort war kurz: „Knapp 350‘000 Teile, sofort abholbar“. „Dann werde ich in drei Stunden bei Ihnen sein. Bis bald!“ Damit war der Konzernbedarf für einen Monat gedeckt.

Fazit: Glättung der Nachfrage durch hochfrequente Kleinlose

Durch die Stückelung und erhöhte Frequenz der Abrufe gewinnt ein Produzent an Flexibilität. Je nach Produktionsverfahren und Verfügbarkeit der Betriebsmittel und Ausgangsmaterialien kann er entweder die Bestellungen bündeln, zeitlich strecken oder in kleinen Losen produzieren. Analoge Überlegungen gelten auch für flexibel einsetzbare Transportmittel.

Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70 zur Verfügung.

Gronova
EIM