Unabhängig davon, ob es sich um eine Marktleistung für einen Kunden oder um eine interne Dienstleistung handelt, Abweichungen vom Regelfall, Ungeklärtes sowie „Stop & Go“ erzeugen viel betriebliche Komplexität. Durch den Termindruck wird sie noch geschürt. Verbreitet ist der Klassiker „Beginn‘ schon einmal. Die Einzelheiten erfahren Sie später“.
Wir wollten genauer verstehen, was erfolgreiche Unternehmen tun, um der grassierenden Komplexität Einhalt zu gebieten. Dazu haben wir einschlägige GroNova-Projekte untersucht sowie mit Unternehmensleitern und Produktionsverantwortlichen in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen gesprochen.
Vorweg: Komplexität ist aus dem betrieblichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Die allermeisten Unternehmen haben sich mit der damit einkehrenden Unüberschaubarkeit und Intransparenz des betrieblichen Geschehens abgefunden.
Gleichwohl gibt es Unternehmen, welche gerade wegen der hohen Komplexität erfolgreich sind. Sie haben gelernt, beispielsweis mit der Komplexität ihrer Kunden ein Geschäftsfall zu generieren. Und trotzdem schützen sie einen grossen Teil der internen und externen Wertschöpfungskette vor dieser Komplexität.
„Business-Firewall“
An der Unternehmensgrenze selbst oder an einer internen Organisationsschnittstelle haben diese Unternehmen einen „Business-Firewall“ etabliert. Dort wird im einfachen Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis und entsprechend vorab festgelegten Regelfällen beauftragt bzw. geliefert. Der „Business-Firewall“ bewirkt, dass schon auftraggeberseitig Unklarheiten geklärt, unrealistische Lieferbedingungen angepasst oder Unverbindliches zurückgewiesen werden. Andernfalls verweigert der Auftragnehmer, den Auftrag anzunehmen.
Unser Tipp: Ermächtige alle (internen) Auftragnehmer, unklare oder unrealistische Beauftragungen rigoros an den Auftraggeber zurückzuweisen. Und umgekehrt ermächtige die Auftraggeber, unvollständige 'Lieferungen' an den Auftragnehmer zurückzugeben. Das betriebliche Geschehen wird sich rasch normalisieren. GroNova unterstützt Sie gerne immer mit führungsstarken Umsetzungsexperten.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr Andreas Suter
PS.: Sie interessieren sich für Strukturen und Prozesse, welche die Komplexität reduzieren? Dazu empfehlen wir unser Buch 'Die Wertschöpfungsmaschine – Prozesse und Organisation aus der Strategie ableiten' (2. Auflage), welches im Hanser-Verlag, München erschienen ist.
Wissensbox:„Business Firewall“ – was ist das?
Mit dem „Business-Firewall“ werden ähnlich wie dem IT-Firewall Unternehmensteile vor eindringender Komplexität abgeschirmt. Typischerweise filtert der „Business-Firewall“ externe Marktkomplexität schon an der Unternehmensgrenze heraus – und schützt umgekehrt die Kunden vor der internen Komplexität des Unternehmens (siehe Abbildung 1). In der Praxis befindet sich der „Business-Firewall“ zwischen dem „Frontbereich“ (z.B. Vertrieb, Distributoren) und dem „Backbereich“ (z.B. Produktion, Lieferkette). Der wirksamste und zugleich einfachste „Business-Firewall“ stellt die einfache Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung dar, welche den „Frontbereich“ und „Backbereich“ nur lose koppelt. Dabei ist besonderes Augenmerk schon auf die Beauftragung zu legen. Je einfacher und geklärter die Beauftragungen des „Fronbereichs“ an den „Backbereich“ erfolgen, desto weniger Komplexität fliesst vom auftraggebenden „Frontbereich“ zum auftragnehmenden „Backbereich“. Sind die Beauftragungen bzw. Liefererwartungen einfach und geklärt, ist es viel unwahrscheinlicher, dass betriebliche Komplexität in umgekehrter Richtung vom „Backbereich“ in den „Frontbereich“ fliesst (siehe Abbildung 2) Typische Themen bzw. Fragen bei der Auftragsannahme • Zuständigkeit: Ist der Auftragnehmer der richtige Ansprechpartner des Auftraggebers? Fällt der Auftrag in den Wertschöpfungs- bzw. Leistungsbereich des Auftragnehmers? • Auftragsspezifikation: Ist der Auftrag inhaltlich verständlich, eindeutig, widerspruchsfrei und ausreichend spezifiziert? Ist die Erfüllung der Spezifikation überprüfbar? • Verbindlichkeit: Ist der Auftrag verbindlich? Ist er formal vollständig? Sind die Modalitäten bei Auftragsänderungen geklärt? • Verfügbarkeit: Sind alle für die Auftragserfüllung notwendigen Ressourcen und Informationen beim Auftragnehmer verfügbar? Sind etwaige Beistellungen des Auftraggebers gesichert? • Terminierung: Ist die Übergabe der zu erstellenden Sach-, Dienst- oder Informationsleistung an den Auftraggeber terminiert? • Übergabevereinbarungen: Ist der Übergabeort bekannt? Sind die Übergabe¬modalitäten (z.B. Prüfvorgang, Dokumentation) festgelegt? Ist der Nutzungs- und Eigentumsübergang geregelt? • Gewährleistung: Sind die Auftragserfüllungs- bzw. Abnahmekriterien bekannt? Sind Gewährleistungsverpflichtungen (z.B. Mängelbehebung, Ersatz, Rückabwicklung) vereinbart? Sind Mechanismen bei Meinungsunterschieden definiert? • Abgeltung: Sind Entgeltbedingungen geklärt? Sind Regeln bei Aufwands-abweichungen vereinbart? |
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Praxisbeispiel im Fokus: Neues Prozessmodell
Warenprüfung und Zolldeklaration, Unternehmen mit weltweit rund 2‘500 Mitarbeitern
Ausgangslage und Handlungsbedarf: Drohender Verlust der Zulassung als Prüfstelle
Das Unternehmen war weltweit vertreten und prüfte Waren- und Zolldeklarationen vor dem Versand im Exportland im Auftrag eines Importlandes (sogenanntes „pre-shipment inspection“). Nachdem wiederholt Unregelmässigkeiten entdeckt wurden, drohte ein Importland mit der Vertragsauflösung. Dadurch hätte das Unternehmen fast einen Drittel des Geschäftsvolumens verloren. Die Geschäftsleitung erhoffte sich in der Automatisierung des Workflows mehr Sicherheit und Gewähr.
Auftrag: IT-Projektleiter für die Automatisierung der Workflows
GroNova wurde beauftragt, für das Grossvorhaben einen senioren umsetzungsstarken Programmleiter mit einschlägigen Erfahrungen aus internationalen Projekten in sensitiven Bereichen zu stellen. Der GroNova-Manager erkannte richtigerweise, dass die realen Prozesse sowie logischen Rollen und Verantwortlichkeiten zuerst geklärt und weltweit standardisiert werden müssen. Gleichwohl müsse aus Sicherheitsgründen das Mehraugenprinzip systematisch etabliert werden.
Lösung: Neues Prozessmodell mit neuen Rollen und Verantwortlichkeiten
Dazu musste Kette „Exporteur“ – „Kontaktstelle im exportierenden Land“ – „Kontaktstelle im importierenden Land“ – „Importeur“ um ein weltweit zentralisiertes Bearbeitungszentrum ergänzt werden. Dieses Bearbeitungszentrum arbeitete im einfachen Auftragsverhältnis der beiden Kontaktstellen. Es überprüfte die Warendeklarationen, ordnete die Zolltarife zu und verfügte die Freigabe. Für die fotografische Dokumentation, Vollständigkeit und Richtigkeit der Warendeklaration war die Kontaktstelle im exportierenden Land, für das Inkasso die Kontaktstelle im importierenden Land verantwortlich. Damit konnten nicht nur das Mehraugenprinzip und die Unabhängigkeit der zolltechnischen Bewertung sichergestellt werden, sondern auch die Fachkompetenz zentralisiert werden.
Fazit: Mehraugenprinzip über grenzüberschreitende Auftraggeber-Auftragnehmer-Schnittstellen
Mit der Zentralisierung der Bearbeitung und dem Mehraugenprinzip über die Auftraggeber-Auftragnehmer-Schnittstelle konnten Fehlerzahl und Betrugsanfälligkeit erheblich gesenkt werden. Zum einen stellte die Eingangsprüfung im Bearbeitungszentrum die Konsistenz der Warendeklaration sicher, zum andern bildete die unabhängige Bewertung die Basis für das korrekte Inkasso durch die Kontaktstelle im Importland.
Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70 zur Verfügung.