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Standortverlagerung - notwendig oder vermeidbar? Bringt Ihnen eine Standortverlagerung die erhofften Vorteile?

Steigende Fixkosten, zunehmender Wettbewerbsdruck und hohe Lohnkostenunterschiede führen zwangsläufig und wiederkehrend zur Standortfrage: Produzieren wir als mitteleuropäisches Unternehmen noch am richtigen Standort? Oder wäre eine Verlagerung die sinnvollere Antwort? Wir haben genauer hingesehen und einige GroNova-Projekte untersucht. Dabei fokussierten wir auf quantifizierbare Grössen und klammerten strategische Aspekte (wie z.B. Zugang zu neuen Märkten) aus.

Unsere Erkenntnis:

Überschätzte Verlagerungsvorteile - unterschätzte Komplexität

Bei einigen Verlagerungsvorhaben verpuffte der Grossteil der argumentierten Kostenvorteile gleich wieder. Warum? Der Fehler lag in der vereinfachten Stundensatzbetrachtung. Dabei waren die Lohnkosten gar nicht ausschlaggebend. Selbst Vollkostensätze nicht, weil Produktivitätsunterschiede, Qualitätskosten und zusätzliche Schnittstellen zu erhöhtem Koordinationsaufwand führten. Die betriebliche Komplexität nahm zu und frass so die vermeintlichen Kostenvorteile der Verlagerung.

Erst im konkrekten Verlagerungsprojekt wird augenscheinlich, welch' enorme Komplexität täglich bewältigt wird.  

  • Markt- und Kundenwünsche mit speziellen Produktanpassungen oder Versandanweisungen
  • Zu viele Einzellösungen und Produktvarianten von der Kleinstmenge bis zum Volumenprodukt
  • Herstellprozesse mit undokumentierten Verfahren, spezielle Werkzeuge, enge Toleranzen, nicht nachgeführte Zeichnungen, "Schubladenwissen" etc.
  • Organisatorische Komplexität durch personenabhängige Rollen, unklare Zuständigkeiten und informelle Beziehungen

Die bestehende Mannschaft hat über Jahre hinweg gelernt, mit dieser Komplexität umzugehen. Das Know-how dazu steckt in den einzelnen Köpfen und wird nicht mitverlagert. Und werden hiesige Arbeitsplätze abgebaut, geht dieses Wissen auch noch verloren.

Im heutigen Newsletter finden Sie unsere Tipps, wie Sie einen Verlagerungs-Entscheid leichter treffen oder vermeiden, weil Sie die damit verbundene Komplexität besser einschätzen können.

Hintergrund

Kostensatzvergleich - ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen?
Bei Vergleichen von Stundensätzen ist Vorsicht geboten! Oft wird Ungleiches einander gegenübergestellt. Vor allem bei Standortvergleichen. Die Kosten der betrieblichen Komplexität werden dabei häufig ignoriert.
Im Stundensatz des Alternativstandorts werden sehr einfache Produktspektren vorausgesetzt: Die Annahme geht oft von einer geringen Anzahl an Produkten in jeweils wenigen Varianten und mit hohen Stückzahlen aus. Entsprechend gering sind Overhead- und sonstige Anteile, welche für einen stabilen Betrieb hinzu kalkuliert werden. Im bisherigen Kostensatz sind die Mehrkosten für die betriebliche Komplexität dagegen über die Overhead-Umlage eingerechnet.
Hat bereits früher eine Teilverlagerung stattgefunden, wird der Kostenvergleich noch problematischer. Denn häufig wurden bereits die hochvolumigen, einfachen Produkte mit geringen Prozessanforderungen verlagert. Die Komplexität und damit verbundene Kostenfolgen wurden am ursprünglichen Standort belassen. Nach  jedem weiteren Verlagerungsschritt hinkt der Vergleich noch mehr, weil die Komplexitätskosten von einem geringeren Volumen absorbiert werden müssen.
Die Verlagerungsprojekte dauern in den meisten Fällen deutlich länger als ursprünglich geplant. Bis ein stabiler Betrieb am neuen Standort etabliert ist, muss eine Betreuungs- und Back-up-Organisation am alten Standort - zum Teil jahrelang - aufrecht erhalten werden. Entsprechend oft werden die zusätzlichen Kosten für Nichtqualität, Terminschwierigkeiten und zusätzliche Betreuung unterschätzt. 
Damit nicht Äpfel mit Birnen oder gar Rosinen mit Fallobst verglichen werden, muss der Kostensatzvergleich korrigiert werden.

Kostensatzvergleich Verlagerung
Beispiel Komponentenhersteller

Verbesserung durch Verlagerung in Euro /h erforderliche Kostensatzkorrektur in Euro /h
Lohnkostenunterschiede (inkl. Sozialabgaben) -24 Kulturbedingt geringere Produktivität (z.B. Menge je Stunde) +3
Andere standortabhängige Kostenvorteile (z.B. Mieten, Energie) -2 Höhere Qualitätskosten (inkl. Kosten für die vor-Ort-Betreuung durch ursprünglichen Standort) +6
Standortförderungsprogramme (z.B. Subventionen & Steuererleichterungen) -

Verspätungs- & Ausfallkosten (z.B. Extra-Transportkosten oder Penalties wegen ungenügender Liefertreue)

Zusätzliche Anlaufkosten, z.B. 
bei zukünftigen Produkteinführungen

Zusätzliche standortübergreifende Schnittstellen- & Koordinationskosten inkl. Back-up-Organisation am ursprünglichen Standort

+2

 

?

 

+5

 

Vermeintlich geringere Komplexität (Basis der Berechnungsbasis) -13 Zusätzliche Komplexitätskosten +13
Geringere Umlagen (wegen kleinerem lokalen Overhead) -3 Fehlende Umlagen für Stammhaus-Overhead +3

 

Unser Tipp   
 
Erst vereinfachen, dann verlagern

Prüfen Sie vor einer geplanten Verlagerung, welche Komplexität Sie am jetzigen Standort reduzieren können. Dazu hinterfragen Sie
• die exotischen Kunden, welche Ihnen viel Arbeit machen, aber nie wirklich Ihre TOP-Kunden werden.
• die Vielfalt Ihrer Artikel die nur sporadisch angefragt, jedoch aufwändig verwaltet, beschafft, produziert und an Lager gelegt werden und somit nur Ressourcen und Kapital binden.
• das Wirrwarr an Prozesswegen, die aufwändig geplant und überwacht werden müssen.
• wie oft Sie sich täglich abstimmen müssen, wie viel Sie koordinieren und administrieren , damit der operative Betrieb  einigermassen geordnet abläuft

Fazit:
Mit der Komplexitätsreduktion verringern Sie Ihre Kostennachteile und stärken den jetzigen Standort. In vielen Fällen die bessere, vor allem sicherere Investition als eine riskante Verlagerung.

 

Was sind eigentlich Komplexitätskosten?

Die Kosten von Komplexität können nur indirekt als Mehrkosten berechnet werden. So lassen sich Komplexitätskosten als Differenz zu den total ausgewiesenen Kosten abschätzen, indem die noch verbleibenden Kosten bestimmt werden, welche bei Wegfall der Komplexitätsursachen entstehen würden.

Eine solche Schätzung ist rasch, innerhalb weniger Tage erstellt. Dabei werden sämtliche Kostenstellen auf deren Abhängigkeit von d er Komplexität untersucht.

Als Basis genügen meistens die Plankosten. Solche Schätzungen dienen dazu, die Potenziale aufzuzeigen, wie z.B. „beim Komponentenlieferant sind rund ¼ der Selbstkosten durch die Sortimentsvielfalt bestimmt.“

 

Praxisbeispiel im Fokus  
 
Fertigungskosten gesenkt, Standort gesichert
Branche: Maschinenbau, Schweiz
 
Ausgangslage und Handlungsbedarf: Profitabilität durch Frankenschock ernsthaft gefährdet.
Ein inhabergeführtes, mittelständisches Unternehmen produziert und vertreibt seine Produkte seit Jahren erfolgreich an nationale und internationale Kunden. Der Exportanteil liegt bei nahezu 70 %. Die anhaltende Frankenstärke führte zu einer alarmierenden Ertragssituation.
Der Versuch, durch verstärkte Neukundenakquise in lukrativeren Märkten die Situation zu entschärfen, reichte nicht aus. Ohne tiefere Herstellkosten war der aktuelle Produktionsstandort gefährdet. Das ergab die Analyse während einer Klausurtagung der Geschäftsleitung. Doch wer sollte das Projekt übernehmen? Intern war keine entsprechende Ressource vorhanden.
 
Auftrag: Analyse und Prozessoptimierung in der Produktion
GroNova wurde beauftragt, mit einem Produktionsprofi die ganze Wertschöpfungskette in der Produktion zu analysieren und die Fertigungskosten zu reduzieren. Vor allem der externe Blick und die uneingeschränkte Objektivität waren gefragt. Der Auftraggeber wollte aber auch, dass seine direkt betroffenen Mitarbeiter aktiv in das Projekt eingebunden werden, um diese zu mobilisieren und um den Know-how Transfer zu sichern.
 
Lösung: Informationen in den Produktionsprozessen konsequenter nutzen
Zu Beginn seines Einsatzes führte der Skillpool® Manager-auf-Zeit mit allen an den Produktionsprozessen beteiligten Mitarbeitern intensive Gespräche. Nur schon die Auswertung dieser Gespräche ergab einige beachtliche Einsparpotentiale.
 
Die anschliessende Analyse der Produktionsabläufe des Skillpool® Managers-auf-Zeit deckte weitere, zum Teil grosse Hebel zur Prozess-Verbesserung auf. Diese waren unter anderem:
• vereinfachte administrative Abläufe, um in der Produktionsplanung rascher und besser zu entscheiden,
• stärker verknüpfte Logistik- und Produktionsprozesse erlauben die störungsfreie Fertigung,
• ABC/XYZ-Analyse in der Beschaffung und Abbau der Produktvarianz senkt Lagerbestand und reduziert Kapitalkosten,
• Lieferanten direkter einbinden hilft, dass diese Fertigkomponenten statt Halbzeuge liefern,
• Kundenfeedbacks vom Verkauf einholen, um die Qualitätsansprüche der Kunden besser zu kennen.
 
Fazit: Produktionskosten reduziert, Standort gesichert und Mitarbeiter befähigt
Der Schweizer Produktionsstandort wurde mittelfristig gesichert. Durch das konsequente Miteinbeziehen der Mitarbeiter etablierte das Unternehmen wertvolles Know-how und das Verständnis für die Zusammenhänge über alle Abteilungen hinweg. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird heute aktiv gelebt. 

Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70  zur Verfügung.

Gronova
EIM